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La Bocaina 2016 – Schwimmen von Lanzarote nach Fuerteventura (15 km)

Bericht von Ulrich Vormbrock

 

Wie alles begann

Im Sommer 2016 fragte mich mein Vereinskollege Fernando, ob ich nicht Lust hätte, die 15 km lange Straße von La Bocaina zu durchschwimmen. Ich hatte schon seit Längerem vor, einmal die Straße von Gibraltar schwimmend zu bewältigen – und da war mir klar, dass La Bocaina eine klasse Vorbereitung dafür sein würde: beide Distanzen sind ungefähr gleichwertig, und durch den Ozean zu schwimmen würde mich vor eine neue körperliche und mentale Probe stellen. Ich entschloß mich, diese für mich außergewöhnliche Herausforderung anzunehmen.

Vorbereitung

Fernando betonte immer wieder, dass diese lange Distanz von 15 km kein Kinderspiel sei, und dass wir rechtzeitig mit dem Training beginnen sollten. Wir fragten in diesem Zusammenhang unseren Trainer Oliver nicht nur nach adäquaten Trainingsplänen – nein, wir sprachen ihn sogar darauf an, ob er nicht Lust hätte, mit auf die Kanaren zu kommen und ebenfalls mit uns die 15 km zu schwimmen. Nach einigem Hin und Her gab uns Oliver sein OK – und somit war unsere Gruppe komplett: Fernando und seine Freundin Gabi, Oliver und ich. Gabi entschloß sich, die Strecke nicht zu schwimmen – stattdessen wollte sie uns von einem Begleitboot aus filmen, wofür wir drei mehr als dankbar waren.

Wir fingen ungefähr zwei Monate vor dem Big Day mit unserem Schwimm-Training an: samstags trafen wir drei uns regelmäßig im Olympiabad und schwammen unser Programm – dabei steigerten wir Woche für Woche unsere Schwimm-Distanz, bis wir bei 10 km angelangt waren. Ungefähr zwei Wochen vor dem Wettkampf gingen wir mit der Schwimm-Distanz wieder runter, um noch genügend Reserven zu haben.

Außerdem trafen wir uns einige Male abends zum Essen (Gabi bekochte uns sehr gut!) und besprachen das Organisatorische: insgesamt wollten wir 10 Tage auf den Kanaren verbringen – davon 6 Tage auf Lanzarote und weitere 4 Tage auf Fuerteventura. Fernando recherchierte im Internet nach geeigneten Unterkünften und nach einem Mietwagen. Wir suchten uns für Lanzarote einen Bungalow und für Fuerteventura eine Reihenhaus-Wohnung aus. Da Fernando aus Spanien kommt, war es für ihn offenbar ein Leichtes, Unterkunft, Transfer (auch Fähre zwischen den beiden Inseln) und Mietwagen zu organisieren. Es stellte sich später heraus, dass seine Orga perfekt war – es gab vor Ort nicht eine einzige Enttäuschung – es lief alles, wie am Schnürchen!

Anreise

Am 3. November war es soweit: da die Maschine von München nach Fuerteventura bereits um 06:40 startete, mussten wir sehr früh aufstehen. Ich fuhr bereits am Vorabend mit meinem Gepäck zu Oliver und übernachtete dort. Frühmorgens kurz nach 4h holten uns Gabi und Fernando mit dem Auto (Car-Sharing) ab, und wir fuhren müde, aber gutgelaunt zum Flughafen.

Die Maschine startete pünktlich, so dass wir bereits um 10h20 Ortszeit (auf den Kanaren wird die Uhr um eine Stunde zurückgedreht) auf Fuerteventura waren. Im Flieger holten wir noch etwas Schlaf nach.

Auf Fuerteventura angekommen, wartete auch schon das von Fernando im voraus organisierte Taxi. Wir fuhren zum Norden der Insel – nach Corralejo – um von dort aus mit der Fähre nach Lanzarote überzusetzen. Die Fahrzeit mit der Fähre betrug ca. 30 Minuten, und während der Überfahrt wurde uns allen erst einmal richtig bewußt, auf was wir uns da eingelassen hatten: obwohl man nach Lanzarote hinüberschauen konnte, zog sich die Strecke gefühlt endlos. Hinzu kam der Wellengang – ganz anders als bei einem See. Ich stand zwecks Filmen und Fotografieren ganz vorne am Bug – und ehrlich gesagt wurde es mir etwas flau im Magen, weil es spürbar auf und ab ging.

Wettkampf-Vorbereitung vor Ort

Der Wettkampf war für den 5. November angesetzt – somit hatten wir ca. anderthalb Tage Zeit, uns an den Ozean zu gewöhnen und dort einige Runden zu schwimmen. Nachdem wir unser Bungalow auf Lanzarote bezogen hatten, fuhren wir gleich zum Strand nach Playa Blanca und schwammen ca. 30 Minuten lang in einer Bucht zwecks Eingewöhnung. Das Wasser war mit ca. 22 Grad recht angenehm warm, so dass wir ohne Neo schwammen.

Am nächsten Tag fuhren wir in Richtung Arrecife (Playa Honda) und suchten uns einen langen Sandstrand in der Nähe des Flughafens aus. Auf Lanzarote gibt es bis auf wenige Ausnahmen fast nur Steilküsten – daher das Ausweichen auf die Hauptstadt, wo das Land recht flach ist, und die Berge erst weiter hinten beginnen. Die Außentemperatur von 24 Grad war recht angenehm – dennoch wehte ein steifer Wind. Fernando, Oliver und ich zogen uns dieses Mal den Neo an, um das Schwimmen mit Neo im Atlantik zu trainieren: beim Wettkampf herrschte aus Sicherheitsgründen nämlich Neo-Pflicht. Wir schwammen knapp 4 km und hatten ganz schön mit Wellen zu kämpfen. Aber genau dies mussten wir ja für den Big Day üben, was sich anschließend auch als wertvoll erwiesen hatte. Es ging ca. 50-100m parallel zum Strand Richtung Süden und wieder zurück. Als wir drei wieder aus dem Wasser stiegen, empfing uns Gabi mit der Bitte, künftig nicht mehr so weit hinaus zu schwimmen: aufgrund des Wellengangs hatte sie uns recht schnell aus den Augen verloren und sich berechtigterweise Sorgen gemacht, zumal wir erst eine knappe Stunde später wieder zurück waren. Wir versprachen, künftig kleinere Strecken mit dafür mehreren Wiederholungen zu schwimmen.

Anschließend ruhten wir uns noch ein wenig am Strand aus; Fernando als treues Vereins-Mitglied malte deutlich den Namen „Exathlon“ in den Sand.

Wettkampf-Terminverschiebung wegen Schlechtwetter

Unser Wettkampf sollte ja ursprünglich am 5. November losgehen. Allerdings war schlechtes Wetter und viel Wind angekündigt, so dass das Ganze erst einmal um einen Tag nach hinten verschoben werden musste. Wir fuhren stattdessen wieder nach Playa Honda (wo wir am Vortag schon waren) und schwammen dieses Mal nur 2.5 km – und dies aufgeteilt in kleinere Teilstrecken. Allerdings wurden wir immer wieder durch einen kräftigen Platzregen überrascht. Nach dem Schwimmen suchten wir zwecks Umziehen ein Toilettenhäuschen auf und sprinteten dann mit trockenen Klamotten zum Mietwagen. Wie gut, dass wir an diesem Tag nicht die 15 km schwimmen mussten. Übrigens kommt es beim Freiwasser-Schwimmen immer wieder vor, dass Termine verschoben werden müssen. Wer zum Beispiel den Ärmelkanal bezwingen möchte, wartet je nach Umständen eine Woche oder länger, bis das Wetter eine Schwimm-Überquerung zulässt. Selbiges gilt auch für die Straße von Gibraltar. Es kann sogar vorkommen, dass Athleten nach über einer Woche unverrichteter Dinge wieder abreisen, weil sich kein geeignetes Zeitfenster für das Schwimmen auftun will. Insofern waren wir mit nur einem Tag Verzögerung sehr gut bedient!

 

Wettkampf-Besprechung

Am 5. November fand abends in einem Hotel die obligatorische Wettkampf-Besprechung statt. Dabei gab es eine Präsentation auf Englisch und auf Spanisch. Sehr viel neue Infos gab es allerdings nicht – das meiste konnte man bereits vorher in der Wettkampf-Ausschreibung lesen. Wichtig jedoch waren die Wetter-Prognosen, die uns dort mitgeteilt wurden: demnach sollte es morgens früh noch windstill sein und gegen Mittag Wind und Regen aufkommen. Nach der Wettkampf-Besprechung kamen wir an einem Verkaufsstand vorbei, an welchem wichtige und unwichtige Dinge verkauft wurden: T-Shirts und Badehosen mit dem „B15-Logo“, Schlüsselanhänger, Schwimm-Equipment, etc. Oliver, Fernando und ich kauften uns jeweils ein T-Shirt zwecks Trophäe und Erinnerung.

 

6. November – der Big Day

Wir mussten recht früh aufstehen, da der Wettkampf bereits um 8h morgens begann. Außerdem wollten wir mindestens eine Stunde vorher vor Ort sein, um uns mental auf den Wettkampf vorzubereiten, in den Neo zu schlüpfen und Hals und Nacken mit Vaseline einzucremen. Es wurde auch noch viel gefilmt und fotografiert – so als ob wir auf Weltreise oder auf eine große Expedition gehen würden.

Wir starteten in drei verschiedenen Gruppen – man musste sich bereits bei der Einschreibung auf eine Kategorie festlegen und selber abschätzen, welchen Pace man auf 15 km durchhalten würde:

Die langsamste Gruppe startete zuerst, nach jeweils 5 Minuten folgte jeweils die schnellere Gruppe. Jede Gruppe hatte ein Pacemaker-Boot (Kajak) – sichtbar durch einen farbigen Ballon. Jeder Schwimmer war angehalten, weder das Pacemaker-Boot zu überholen, noch zu weit nach hinten abzufallen. Wer zu weit nach hinten abfiel, hatte im besten Fall die Möglichkeit, in einer langsameren Gruppe zu schwimmen. Im ungünstigen Fall drohte eine Disqualifikation: wer im Schnitt länger als 2 Minuten für 100 Meter brauchte, wurde früher oder später aus dem Wasser gezogen.

Oliver und Fernando starteten in der schnellen – ich in der mittleren Gruppe. Gabi fuhr auf einem Segelschiff rüber nach Fuerteventura und filmte uns von unterwegs. Dabei fuhr das Segelschiff immer wieder zwischen den verschiedenen Gruppen hin und her, so dass Gabi uns alle filmen und beobachten konnte.

Unterwegs gab es 4 Verpflegungspausen, die jeweils 5-10 Minuten dauerten: die erste nach anderthalb Stunden, dann jeweils nach einer Stunde: der gesamte Pulk versammelte sich um wenige Kajaks herum – dort bekamen wir Mineralwasser, Gels und Bananen. Bei der zweiten Verpflegungspause musste ich allerdings feststellen, dass es keine Bananen mehr gab. Ich nahm dafür ein Gel, was zwar scheußlich schmeckte, mir aber hoffentlich genügend Energie liefern würde, um die lange Strecke zu meistern.

Das Schwimmen bis zur ersten Verpflegungspause lief sehr gut: die See war relativ glatt, und man konnte lange Zeit den sandigen Meeresboden sowie einige Fische sehen. Meine GPS-Uhr zeigte einen Pace von knapp über 1′:30“ pro 100m an. Klasse – dachte ich – das wird ein sehr guter Wettkampf!

Ab ungefähr der zweiten Hälfte der Strecke kippte das Wetter – es kamen Wind und Wellen auf, und es regnete sogar zwischendurch. Wir schwammen fast alle geschlossen in einem Pulk. Zwischendurch wurde es mir zu eng, da es immer wieder zu einem ungewollten Körperkontakt mit einem Nebenschwimmer kam: einmal bekam ich einen Klatscher auf die Badekappe, ein anderes Mal wurde ich durch eine seitlich anrollende Welle zu nah an meinen linken Schwimm-Nachbarn gedrückt, der mich mit dem Ausruf „Hombre!“ (auf Deutsch: Mann, pass doch auf!) ermahnte. Ab und zu versuchte ich, mich vom Pulk zu entfernen – in Ermangelung von Wasserschatten fiel ich allerdings nach hinten ab und musste richtig Gas geben, um die Gruppe nicht zu verlieren. Also riss ich mich zusammen und blieb bei der Gruppe, auch wenn das enge Zusammenschwimmen nervenaufreibend war!

Fernando hatte es in dieser Hinsicht leichter: er gehörte zu den Schnellsten in seiner Gruppe und hatte daher eher Leute hinter sich statt neben sich schwimmen. Dies sieht man übrigens sehr schön auf dem folgenden Foto – ganz vorne Fernando:

Trotz der langen Strecke ereilte mich dieses Mal kein mentales Tief – ich genoß es sehr, im Atlantik diese Art von Überquerung zu machen – es war einfach atemberaubend und etwas ganz Besonderes!

Zwischendurch – vor allem wenn mir das Gedrängel zu viel wurde – wechselte ich kurz auf Brustschwimmen und beobachtete unseren Pulk mit dem Kopf über Wasser – um mich herum war das Meer durch die vielen Armzüge aufgeschäumt – die Szene erinnerte mich an viele Schaufelräder, die sich ihren Weg durch das Wasser bahnen – es war eine eher ruhige, aber kraftvolle und gleichmäßige Bewegungs-Symphonie. Und dazu das schäumende Geräusch – so etwas wie Stampfen und Zischen – ich kann mich an keinen anderen Wettkampf erinnern, wo ich diese Art von Geräusch-Kulisse wahrgenommen habe. Was mir sehr gut gefiel war die Tatsache, dass es auf ganzer Strecke keinerlei Kontakte mit Quallen gab – dies hatte für mich etwas sehr Beruhigendes.

Nach viereinhalb Stunden und der vierten Pause (in etwa auf der Höhe der Insel „Lobos“) erfolgte der Endspurt: ab jetzt musste man nicht mehr in der Gruppe bleiben, sondern konnte nach eigenem Gusto soviel Gas geben wie man wollte. Obwohl mit „Gas geben“ war bei mir nicht mehr viel drin, da Wind und Wellen ihren Tribut forderten. Ich war einfach nur froh, diese Strecke überhaupt zu schaffen. Der Regen wurde stärker, und man konnte in knapp 3 km Entfernung den Zielort Corralejo nur schemenhaft erkennen. Überhaupt sah die Insel und die Umgebung nicht gerade einladend aus! Die letzten hunderte Meter waren durch Bojen gekennzeichnet. Man schwamm am Hafen von Corralejo vorbei und bog dann scharf rechts ab. Allerdings gab es keine direkte Ziel-Gerade: man musste sich einen Weg zwischen ankernden Segelbooten suchen, was mich ein wenig verunsicherte. Doch plötzlich kam das Ziel-Tor zum Vorschein, und ich schwamm schnurstracks darauf zu und war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Insgesamt brauchte ich für die Strecke 5h 21min, wobei man eigentlich die Pausen-Zeiten abziehen müsste. Aber für mich war es eher eine Schwimm-Expedition statt ein Wettkampf – mir ging es in erster Linie um das Ankommen und um das Erlebnis! Wann man hat schon die Möglichkeit, eine derart lange Strecke im Atlantik zu schwimmen? Am Ziel gab es einigen Applaus – und jeder Schwimmer bekam von freiwilligen Helfern erst einmal eine Flasche Mineralwasser. Die brauchte man auch, um den Salzwasser-Geschmack aus dem Mund zu bekommen.

Am Ziel begrüßten mich Fernando und Oliver – da beide ja in der schnellen Gruppe schwammen, waren sie deutlich vor mir am Ziel und konnten sich zwischenzeitlich duschen und umziehen.

Fernando erreichte mit einer Zeit von 4h 36min den 3. Platz in der Gesamtwertung – Oliver schnitt mit 4h 41min auch sehr gut ab! Ich wünschte mir, auch einmal in diese Kategorie aufzusteigen – aber im Gegensatz zu Oliver und Fernando schwimme ich nicht lang genug: ich habe erst Anfang 2013 mit dem Langstrecken-Schwimmen begonnen und bin zudem auch nie Beckenwettkämpfe geschwommen. Insofern passt mein Spitzname „Rookie“ (den ich mir übrigens selber gegeben habe) sehr gut

Kurze Zeit später kam auch Gabi auf mich zu: sie hatte noch von der Promenade aus meine Ziel-Ankunft gefilmt. Auch sie gratulierte mir und erzählte, dass sie uns alle vom Begleitboot aus gesehen hatte. Sie meinte, dass wir Unglaubliches geleistet hätten. Sie erzählte uns aber auch, dass einigen Schwimmern aus der langsamen Gruppe nach halber Strecke so dermaßen die Kraft ausging, dass sie sich extrem mühevoll durchs Wasser quälten und letztendlich aus dem Wasser gezogen werden mussten. Im Gegensatz dazu verlief bei uns dreien die Bocaina-Überquerung sehr gut!

Nachdem ich mich aus meinem Neo befreit und geduscht hatten, genehmigten wir uns alle erst einmal die wohlverdiente Finisher-Pasta sowie einige Biere. Die Tage zuvor hatten wir alle auf Alkohol verzichtet und uns voll auf den Wettkampf eingestellt. Aber jetzt konnten wir die Seele baumeln lassen und uns wieder irdischen Genüssen hingeben.

Bevor wir wieder die Fähre zurück nach Lanzarote nahmen (wir bekamen übrigens als Wettkampf-Teilnehmer einen kleinen Preisnachlass für die Überfahrt), machten wir auf der Promenade in Corralejo noch ein obligatorisches „Finisher-Foto“ vor einer „B15-Kulisse“, welche für die Siegerehrung vorgesehen war. Ganz stolz bekannten wir Farbe für Exathlon

Die Überfahrt zurück nach Lanzarote machte uns große Freude: zum einem wurde das Wetter wieder gut, zum anderen konnten wir unser Schwimm-Abenteuer nochmals Revue passieren lassen und waren stolz, diese lange Strecke aus eigener Kraft geschafft zu haben.

Wie bereits erwähnt, filmte Gabi vom Begleitboot unser Schwimm-Abenteuer – die interessantesten Szenen habe ich im folgenden Video zusammengestellt: