Nachdem ich letztes Jahr den 26.4 km langen Zürichsee-Marathon-Swim bewältigt hatte, wollte ich dieses Jahr mal etwas „Kleineres“ schwimmen – auch alleine schon, um mir meinen Spitznamen „Rookie“ nicht zu gefährden 🙂
Auf Facebook sah ich immer wieder Beiträge von der LSGA (Lake Geneva Swimming Association), die mich sehr inspirierten. Da gab es neben der „Gewalttour“ von 70 km (Montreux -> Genf) auch eine für durchschnittliche Langstreckenschwimmer machbare See-Überquerung von 13 km.
Wer mehr über die LSGA und über die beiden Challenges (Classic versus Signature) erfahren möchte – hier die Webseite: https://www.lakegenevaswimmingassociation.com.
Das Schwimmen kostete pro Teilnehmer 290 Euro – inbegriffen waren die administrativen Kosten (Übertritt von der Schweiz nach Frankreich), Begleitboote in Form von Kajaks, Wasserwacht, Gepäcktransport nach Frankreich, Finisher-Shirt und Medaille, Pasta-Party am Ziel und Rückfahrt mit der Fähre von Evian-les-Bains nach Lausanne.
Trainiert habe ich – wie auch im Vorjahr – überwiegend im Wörthsee bei München. Meine Schwimm-Einheiten beliefen sich dabei zwischen 6 km und 12 km – zu Trainingszwecken hatte ich stets meine „Donut-Boje“ dabei, in welcher meine Verpflegung deponierte war. Sowohl ein isotonisches Getränk (Maxim), als auch Energie-Riegel und sogar BCAA-Aminos.
Am Freitag, den 12. Juli nahm ich den Flieger von München nach Genf: kurz nach dem Start sah ich von oben zuerst die Regatta-Anlage von Oberschleißheim, wenige Minuten später auch den Wörthsee mit der markanten Mausinsel. Von oben sah der Wörthsee aus wie ein kleiner Weiher – und die ca. 9 km Umfang (ich habe ja in der Vergangenheit häufig den See schwimmend umrundet) kamen mir von oben plötzlich nichtig und fast schon lächerlich vor. Da ich ja zuvor sowohl in der Regatta-Anlage, als auch im Wörthsee trainiert hatte, gaben mir beide Seen eine Botschaft mit so nach dem Motto „hey, du hast gut und genug trainiert – jetzt mach das Beste draus!„. In Genf gelandet, fuhr ich gleich mit dem Zug weiter nach Lausanne. Dort war ich im Hotel Bellerive untergebracht und hatte sogar ein Zimmer mit Seeblick. Jeder Schwimmer bekam in diesem Hotel einen kleinen Preisnachlass.
Beim Blick aus meinem Hotel-Fenster wurde mir – ehrlich gesagt – schon ein wenig mulmig in Anbetracht der Distanz, die ich zu schwimmen gedachte.
Am nächsten Morgen machte ich mich nach dem Frühstück zu Fuß auf den Weg ins Seebad „Bellerive Plage“. Da das See-Ufer an vielen Stellen wegen Firmen- und Privatgrundstücken gesperrt ist, hatte ich mit der Orientierung einige Schwierigkeiten und erreichte leicht verspätet das Seebad. Dort angekommen, musste ich mich ca. 10 min anstellen, um mir meine Startunterlagen aushändigen zu lassen. Dort wurde auch überprüft, ob ich eine Schwimm-Boje dabei hatte – denn diese war für alle Schwimmer aus Sicherheitsgründen obligatorisch – und auch absolut sinnvoll, wie sich später zeigen wird. Das Gepäck durfte man auf einen Haufen werfen, nachdem man es mit einer Startnummer-Etikette versehen hat – dieses wurde dann per Boot nach Evian-les-Bains transportiert.
Gestartet wurde in vier verschiedenen Gruppen, welche nach Zielzeiten gestaffelt waren – folgende Info bekamen wir vom Veranstalter:
Ich entschied mich für „Wave 3“ und lag auch mit meiner Einschätzung bezüglich Schwimmzeit goldrichtig. Jede Gruppe startete 30 Minuten zeitversetzt – mein Start war genau um 9h05.
Da der Genfer-See an diesem Tag nur eine Wassertemperatur von 22 Grad hatte, entschied ich mich (wie über die Hälfte aller Athleten), mit Neo zu schwimmen – auch wenn ich in diesem Kostüm aussah wie ein Frosch oder Michelin-Männchen 🙂
Um 9h05 ertönte der Startschuss, und wir von „Wave 3“ stürzten uns in die Fluten Richtung Frankreich.
Am Anfang war es – wie bei den meisten Schwimm-Wettkämpfen üblich – recht eng. Vor allem ist es nicht schön, wenn man von einem Schwimmer links und rechts sozusagen in die „Zange genommen“ wird. Aber nach gut einem Kilometer war der Spuk vorbei, und ich kam schnell in meinen Flow.
Angeführt wurde jede Gruppe durch mehrere Kajak-Fahrer – oder eigentlich müsste ich eher sagen: überwacht. Denn sehr schnell verlor ich die sogenannten Anführer-Kajaks aus meinem Sichtfeld, sah aber dafür immer wieder ein Kajak neben mir herfahren.
Meine Gruppe dividierte sich recht schnell auseinander, und ich sah vor mir einen Pulk von Schwimmern davonschwimmen. Das erzeugte in mir etwas Unbehagen: „ich werde doch wohl hoffentlich nicht als Letzter in Frankreich eintrudeln oder sogar wegen des bestehenden Cut-Offs von 3h in der See-Mitte aus dem Rennen genommen werden!?“ – dachte ich immer wieder – verwarf aber dann diese Gedanken und fokussierte mich auf meine Schwimm-Technik und auf das traumhaft schöne Panorama!
Da ich ja stets zur linken Seite einatme, eröffnete sich mir ein traumhaftes Panorama Richtung Montreux und Mont Blanc.
War der See am Anfang noch quasi spiegelglatt, kamen nach ca. 3 km Wind und Wellen auf. Die Wellen kamen Gott-sei-Dank von hinten, aber hatten stellenweise sogar Schaumkronen, so dass ich beim Einatmen immer wieder Wasser schluckte und meine Technik korrigieren musste. Man wurde richtig durchgeschaukelt und hatte das Gefühl, im Meer statt im See zu schwimmen. Gott-sei-Dank neige ich nicht zu Seekrankheit.
Wie gerne hätte ich unterwegs mit einer Action-Cam einige Aufnahmen gemacht – aber dazu hätte ich statt der Restube- die Donut-Boje mitbringen müssen, in welcher ich neben Verpflegung auch die Hardware hätte deponieren können.
Meine gelbe Restube-Schwimmboje hob wegen des Rückenwindes immer wieder ab und stand senkrecht über mir. Wegen der Wellen hatte ich Schwierigkeiten mit dem Sichten und sah plötzlich keine Schwimmer oder Begleitboote mehr. Ich wusste nur noch die ungefähre Schwimm-Richtung. Manchmal stoppte ich, um genauer sichten zu können. Dabei kam plötzlich einmal ein Kajak-Fahrer vorbei und fragte mich auf Französisch, ob alles in Ordnung sei. Ich antwortete mit „bien-sûr“ und war erleichtert, dass ich im Wasser nicht ganz alleine war. Jetzt wurde mir auch klar, warum der Veranstalter so großen Wert auf die Bojen lag – denn ohne Bojen und nur mit farbiger Badekappe wäre es deutlich schwieriger gewesen, abgedriftete Schwimmer ausfindig zu machen.
Sicherheit wurde bei diesem Event ohnehin groß geschrieben: es gab unterwegs nicht annähernd irgendwelchen Kontakt mit Dampfern, Motor- oder Segelbooten. Erst nach dem Cut-Off füllte sich der See-Abschnitt wieder mit Booten.
Während ich schwamm, trudelten einige motivierende WhatsApp-Nachrichten ein – die ich natürlich erst am Ziel lesen konnte, mir aber sehr gut taten – es war sehr schön zu wissen, dass einige Vereinsmitglieder hinter mir bzw. meinem Vorhaben standen:
Der Veranstalter wies darauf hin, dass es ca. alle 2.5 km einen Verpflegungsstopp geben würde. Wegen der schwierigen Orientierung bekam ich nur den ersten und letzten Verpflegungsstopp mit – dort bekam man von einem Schlauchboot Wasser und Gels aus Tuben heruntergereicht. Die Gels erwiesen sich als wahre Lebenselixiere: sie waren sehr gut verträglich und bescherten nicht nur mir (wie ich später am Ziel von anderen erfuhr) einen regelrechten Energie-Boost.
Die meisten Schwimmer hatten eine Donut-Boje dabei und waren daher von den vorgegebenen Verpflegungs-Stopps unabhängig. Ich würde es das nächste Mal genauso machen!
Beim letzten Verpflegungs-Stopp schaute ich auf die Uhr und sah, dass schon 3h 20min vergangen waren. Die Ziellinie sah bereits zum Greifen nah aus – mein Gefühl sagte mir, dass ich in spätestens 20 Minuten am Ziel sein würde. Erst später realisierte ich, dass ich mit meiner Schätzung sehr daneben lag: durch die See-Breite von 13 km (versus 2 km beim Starnberger-See-Schwimmen) verschoben sich – psychologisch gesehen – die Verhältnisse – sprich: 3 km wirkten auf mich wie nur 1 km.
Kurz nach der letzten Verpflegungspause fragte ich einen Kajak-Fahrer, wo ich genau hin musste. Ich sah (wegen meiner Kurzsichtigkeit) geradeaus eine gelbe Konstruktion, die wie ein Ziel-Tor aussah. Der Kajak-Fahrer allerdings verwies mich einige hundert Meter nach links, wo einige Sonnenschirme zu sehen war. Ich dachte mir „ach so, da also findet die große Finisher-Fiesta statt“ und schwamm in die besagte Richtung – merkte aber später, dass ich doch mit meiner ursprünglichen Einschätzung richtig lag und steuerte nunmehr das gelbe Ziel-Tor von der linken Seite an.
Auf dem Foto unten bin ich übrigens der zweite hinten, der sich gerade von dem Druck seiner Schwimmbrille befreit.
Am Ziel wurde übrigens nach der Startnummer gefragt – und die Schwimmzeit wurde händisch in eine Liste eingetragen. Dies hatte für mich einen gewissen Charme – denn oftmals sieht man am Ziel die unübersehbare Digitaluhr laufen, und die Zeit wird mittels Transponder-Chip in Echtzeit übertragen.
Ich selber hatte eine Zeit von 4h 24min – leider habe ich mein Ziel von ca. 4h nicht erreicht – war aber wegen der schwierigen Orientierung und der Wellen nicht allzu sehr enttäuscht. Insgesamt lag ich aber mit Platz 31 von 78 Schwimmern mit meiner Zeit im guten Mittelfeld – d.h. meine anfängliche Befürchtung, wegen Langsamkeit aus dem Rennen genommen zu werden, erwies sich als unbegründet! Generell tut man sich beim Solo-Swim (wo ein Begleitboot kontinuierlich neben einem her fährt) wesentlich leichter mit der Orientierung als bei einem Schwimmen in größerer Gruppe, welche sich auch noch nach wenigen Kilometern auseinander dividiert.
Am Ziel gab es die besagte Pasta-Party und auch die Sieger-Ehrung. Das Schöne, was mir ganz besonders gut gefallen hat:
jeder Finisher wurde geehrt und bekam neben einer Medaille auch eine Glasflasche Evian mit dem eigenen Namen drauf. Im Gegensatz zu herkömmlichen Wettkämpfen wurde nicht nach Altersklasse und Zeit gewertet – es ging primär darum, das Schwimmen zu genießen und anzukommen.
Anfangs hatte der Moderator einen PC mit der Finisher-Liste – er rief nach und nach die einzelnen Athleten auf, die auf dem Podest ihre Medaille entgegennahmen. Wegen Hitze streikte nach wenigen Minuten allerdings der PC – aber die Franzosen kennen ja das berühmte „Système D“ – wobei das „D“ für „se débrouiller“, also „sich durchwurschteln“ steht – das deutsche Pendant dazu wäre „Trick 17“: nunmehr wurden alle verbleibenden Evian-Wasserflaschen alphabetisch nach den aufgedruckten Nachnamen sortiert, und nach dem Schema wurden die Athleten aufgerufen – solution très simple 🙂 Ziemlich zum Schluss ertönte dann auch mein Vorname – natürlich französisch ausgesprochen: Ülrisch. Ich sprang auf das Podest und nahm meine Präsente entgegen.
Nach der Siegerehrung schaute ich mir noch meinen GPS-Track an und stellte fest, dass ich nicht geradlinig, sondern fast schon in Form einer S-Kurve geschwommen war:
Anschließend ging ich in Evian-les-Bains direkt am Ufer noch eine Kleinigkeit essen, gönnte mir ein Bier und schrieb einige Postkarten. Ich genoss die wunderschöne Seesicht und das französische Flair und fühlte mich in die Zeiten meines Frankreich-Studiums von 1997 zurückversetzt. Ich verspürte eine Leichtigkeit und eine Lebensfreude – Savoir-Vivre halt. Die Bedienung, eine junge und bodenständige Französin, antwortete bei jeder Bestellung mit „oui – ça marche“ (ja, das geht) – eine Redewendung, die ich bisher in Frankreich noch nie im Zusammenhang mit Bestellung im Restaurant gehört habe.
Um 18h ging es wieder mit der Fähre retour nach Lausanne – und es war schön, die zuvor geschwommene Strecke vom Boot aus Revue passieren zu lassen.
Insgesamt war ich mit der Seeüberquerung sehr zufrieden – ich hatte bis zum Schluss genügend Energie-Reserven und keinen mentalen Einbruch. Der Flow stellte sich recht schnell ein. Außerdem war die Crew sehr sympathisch und freundlich!
Das Sichten besser üben und auch das Abschätzen von Entfernungen im Wasser trainieren.
Außerdem ruhig einmal während längerer Zeitabschnitte (1-2h) ohne Verpflegung trainieren.
Oder – sofern beim Wettkampf mit Neo geschwommen wird – einige Energie-Riegel unter dem Neo verstauen. So hatte ich es zwei Monate später beim 17k Wörthersee-Swim gemacht, da es auf der gesamten Strecke nur zwei Verpflegungs-Stopps gab.
Bei früheren Wettkämpfen hatte ich immer wieder mit dem Beschlagen meiner Schwimmbrille zu kämpfen. Zwecks Sichten blieb mir manchmal nichts anderes übrig, als kurz zu stoppen und Brille abzuziehen, um meinen Kurs abzugleichen.
Folgendes Vorgehen hat sich – auch letztes Jahr bei meinem Zürichsee-Schwimmen – sehr gut bewährt:
die Schwimmbrille mit einem Anti-Fog Spray (oder Stift) behandeln, auswaschen und trocknen lassen. Auf gar keinen Fall die Gläser von innen berühren.
Kurz vor dem Start das Gesicht anfeuchten, die Gläser von innen kurz „belecken“ und die Brille aufsetzen.
Auch wenn diese Vorgehensweise nicht sehr bekannt ist – ich bin damit auch bei der Genfer-See-Überquerung sehr gut gefahren und hatte nicht einmal ansatzweise beschlagene Gläser!